Mittwoch, 28. August 2013
Als nun Jakob von seinem Schlaf aufwachte, sprach er: Fürwahr, der HERR ist an dieser Stätte, und ich wusste es nicht!
1. Mose 28, 16

Im Spektrum christlicher Exerzitienarbeit hat sich in den letzten 15 Jahren nach und nach ein Format etabliert, das die Suche nach den Orten von Gottes Gegenwart in den Mittelpunkt stellt. Es sind die ‚Exerzitien auf der Straße‘, die der Berliner Jesuitenpater und ehemalige Arbeiterpriester Christian Herwartz mit Menschen entwickelt hat, die sich nicht mit einem Text in ein Zimmer zurückziehen wollten, um Gott näher zu kommen. Sondern sie wollten hinaus auf die Straßen der Großstadt.

Und so entstand ein Übungsweg ganz eigener Prägung, in dem es gilt, sich für zehn Tage auf die Suche zu machen. Die öffentlichen Räume einer Metropole zu durchstreifen, um eigenen Lebensthemen und Sehnsüchten auf die Spur zu kommen. Die geistliche Dimension von sozialen Brennpunkten, historischen Stätten, Konsumwelten zu erkunden. Sich führen zu lassen, wohin es einen treibt und zieht. Offen zu werden für Begegnungen mit fremden Menschen. Eine innere Standortbestimmung vorzunehmen im Wechselspiel mit Widerfahrnissen von außen. ‚Heilige Orte‘ zu entdecken, die mich und meinen Glauben anrühren und ihm Impulse geben. Gott suchen und finden in der Stadt.

Der biblische Leittext für diese Exerzitien ist normalerweise die Geschichte vom brennenden Dornbusch, der Mose zu erkennen hilft, an einem Ort der besonderen Gottesgegenwart und Gotteserkenntnis zu sein. Aber letztlich geschieht mit Jakob auf seiner Reise zwischen Beerscheba und Haran nichts anderes. Ein scheinbar profaner Ort, an dem er sich über Nacht niederlässt, wird zur Stätte einer Offenbarung. Einer Botschaft, die verändernd in sein Leben hineinspricht.

Es ist die Erfahrung eines ‚neuen Sehens‘, das die Exerzitien auf der Straße für viele Menschen zu einer Erweckungserfahrung macht. Die Stätten, die wir Tag für Tag ohne Achtsamkeit durcheilen, verändern durch die geistliche Aufmerksamkeit ihren Charakter, lassen staunen, ermöglichen Begegnung, beginnen zu sprechen. Was wäre das für eine Kirche, die nicht versucht, die Menschen in ihre Mauern und Veranstaltungen zu locken, sondern ihnen dazu verhilft, an von ihnen entdeckten Orten sagen zu können: Fürwahr, der Herr ist an dieser Stätte, und ich wusste es nicht?