Epheser 3, 2-3a.5-6
2 Ihr habt ja gehört, welches Amt die Gnade Gottes mir für euch gegeben hat:
3a Durch Offenbarung ist mir das Geheimnis kundgemacht worden.
5 Dies war in früheren Zeiten den Menschenkindern nicht kundgemacht, wie es jetzt offenbart ist seinen heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist;
6 nämlich dass die Heiden Miterben sind und mit zu seinem Leib gehören und Mitgenossen der Verheißung in Christus Jesus sind durch das Evangelium.

1
Liebe Gemeinde,

eine Offenbarung, eine Vision ist es, die den Apostel Paulus so eine herausgehobene Stellung gibt unter all den anderen Aposteln:
die Vision von dem EINEN LEIB aus Juden und Heiden in Jesus Christus.

Was Paulus da als ‚Sonderauftrag des Herrn‘ empfing und konsequent umzusetzen begann, war eine Zumutung sonders gleichen!
Man kann es vielleicht am Ehesten vergleichen mit der Aufregung um den Satz des damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff, als er feststellte:
Der Islam gehört zu Deutschland.
‚Das geht doch nicht!‘ rief es aus verschiedensten Ecken. ‚Der Islam kann doch schon aus Prinzip nicht zu einem christlich-abendländischen Land gehören! Die ticken doch völlig anders als wir. Haben andere Werte, andere Lebensgewohnheiten, einen ganz anderen Glauben…‘

Und so mögen es auch die ersten Christen empfunden haben, die alle Judenchristen waren oder zumindest Heiden, die sich freiwillig an die jüdischen Riten und Gebote hielten. Das war tolerabel, mit denen an einem Tisch zu sitzen! Aber so richtige Heiden? Die gehören doch nicht in die Gemeinde des jüdischen Messias Jesus! Irgendwo muss doch eine Grenze sein!

Und genau diese Grenze, die schleift Paulus, diese von uns gezogenen Unterschiede: es gibt für ihn weder Freie noch Sklaven, weder Mann noch Frau, weder Juden noch Griechen: alle eins im Leib des einen Herrn Jesus Christus.

Das liegt völlig quer zu unserer unseligen deutschen Tradition vom möglichst einheitlichen, homogenen Volkskörper. Dass muss gar nicht mal die rassistische Variante der Nazis sein, die diese Einheit auf biologischer Ebene gesucht haben.
Es kann auch die Vision einer einheitlichen Leitkultur sein, die die Grenze zieht, wer dazugehören darf und wer nicht.

Nicht zuletzt das Buch von Thilo Sarrazin ‚Deutschland schafft sich ab‘ war grundiert in dieser Phantasie eines ethnisch homogenen Deutschland, zu dem es zurückzukehren gelte. Fremdes wird als Bedrohung der Reinheit erlebt und abgewehrt.

Paulinisch-christlich ist das jedenfalls nicht.

Exkurs

An dieser Stelle, liebe Gemeinde, wo wir über Körperbilder reden, muss ich eine aktuelle Anmerkung zu den Vorkommnissen in Köln machen, die wir seit Montag in den Medien so breit diskutieren:
Im Moment ist anzunehmen, dass eine beträchtliche Anzahl von kleinkriminellen Bandenmitgliedern eine Strategie sexueller Übergriffigkeit fuhr, um so an Geldbörsen und Handy der belästigten Frauen zu kommen.
Entgegen gängiger journalistischer Regeln war plötzlich die ethnische Herkunft zentraler Bestandteil der Debatte. Und die erste Phantasie, die sich in den Köpfen festsetze, war: unkontrollierbare Nordafrikaner und Araber, vielleicht sogar aus dem Kreis der so selbstlos aufgenommenen Flüchtlinge, dringen auf belästigende, brutale, ja vergewaltigende Weise in den unschuldigen, überrumpelten Leib der einheimischen Bevölkerung ein, in Gestalt junger wehrloser und ungeschützter Frauen.

Jeder der Übergriffe dort war ein Verbrechen und gehört strikt verfolgt und geahndet. Aber unterschwellig werden da kollektive Körperbilder geformt, die auf eines abzielen: auf Abwehr eines bedrohlichen Fremd-Körpers. Und die natürliche Schlussfolgerung wäre ja, das Autoimmunsystem zu aktivieren und die ‚Infektionserreger‘ auszuscheiden. Und von da ist es nicht mehr weit bis zu den Schüssen in Hessen auf eine bewohnte Asylbewerberunterkunft.

Das sind genau die Gegenphantasien zu denen des Paulus, der sich vorstellen konnte, dass das völlig verschiedene friedlich und harmonisch zu einem Leib zusammen finden könnte.


2
Liebe Gemeinde,
so wie wir heute lernen müssen:
‚Das Deutschland, an das wir uns gewöhnt haben, wird es so nicht mehr geben.‘
musste Paulus bei seinen ‚konservativen‘ also ‚bewahrungsfreundlichen‘ Mitgenossen dafür werben, dass es die Gemeinde, an die sie sich in den wenigen Jahren der Christus-Nachfolge gewöhnt hatten, so nicht länger geben wird. Ja nicht geben darf. Weil es dem Wesen des Evangeliums widersprechen würde.

Denn Gottes Zusage an die Menschen in seinem Sohn war eben: universal. An alle Menschen gerichtet. Und damit eine Art religiöse Globalisierung.

Im Matthäusevangelium wird das nicht so abstrakt theologisch abgehandelt, sondern ganz sinnenfroh erzählt:
Die drei Weisen aus dem Osten kommen, um das Kind in der Krippe anzubeten.
Bestimmt keine Juden oder Judengenossen. Aber sie stehen da inmitten der Schar der ortsansässigen Krippenfiguren, als gehörten sie dazu.
Als exotische Fremde doch kein Fremdkörper. Mitgenossen der Verheißung.
Gelockt durch die Offenbarung, die ihnen zuteil wurde im Stern von Betlehem.
Der scheinen sollte und noch scheint über alle Welt.

In den Bildern, die man sich über die Jahrhunderte von den drei Weisen gemacht hat,
wurde immer deutlicher sichtbar, dass sie als Stellvertreter für die gesamte damals bekannte Welt genommen wurden:
einer für Europa, einer für Asien und ein dunkelhäutiger für Afrika.
Die ganze Welt reagiert auf das Ereignis der Zeitenwende.
Und von dem Kind gehen Impulse in alle Winkel der Erde.

Es ist ein Stoffwechsel in Gang gesetzt, der keine Gebiete mehr kennt, die sich dem entziehen können. Eine global vernetze Welt, die sich auf dem Weg einer dynamischen Veränderung befindet. Damals. Wie heute.

Nur, dass wir heute vor allem eine Globalisierung erleben, die rein wirtschaftlichen und machtpolitischen Vorgaben folgt. Mitsamt der Ausbeutung und Zerstörung und sozialen Verwerfung. Und viele, die ahnen, dass das nicht die Zukunft des Planenten sein kann, sehnen sich zurück nach ihren kleinen, sicheren, unabhängigen Gruppen und Clans und Nationalstaaten.

Aber die Globalisierung lässt sich nicht so leicht zurückdrehen, wenn es denn überhaupt ein realistisches Ziel sein kann. Zu den Warenströmen und Geldströmen kommen nun eben auch: die Menschenströme. Teil des Stoffwechsels in der einen Welt.
Krieg und Zerstörung an einem fernen Ort bleiben nun eben nicht mehr ohne Folgen bei uns. So wie der Krieg und die Zerstörung auch immer daraufhin zu befragen sind,
was wir dazu beigetragen haben – und was wir ungerne ansehen.
Denn das könnte ja unsere Reinheitsphantasien gefährden…

Auch hier ist also noch einmal zu betonen: Flüchtlinge nicht die URSACHE der Veränderungen, sondern bereits die Folge einer Entwicklung, die lange im Gange ist und uns zeigt: wie bisher geht‘s nicht weiter.

3
Liebe Gemeinde,
kehren wir zurück zur Vision des Paulus von der Einheit und des Mitgenossenschaft.
Er hatte ja zuerst einmal die junge, erst im entstehende christliche Gemeinde im Blick. Die wollte er öffnen, bunter und vielfältiger machen.
Nicht, weil er irgendwelche ideologischen Multikulti-Phantasien hatte.
Sondern weil er fähig war, den Blick auf die Gemeinsamkeiten zu lenken.
Und diese war eigentlich nur eine einzige Gemeinsamkeit, die als Grundlage aber völlig ausreichen müsste: der Glaube an das neue, das ewige Leben in Jesus Christus.

Und er wusste aus seinen Gemeinden nur zu gut, wie viele Konflikte da rumorten, meschlich-allzumenschliche, wenn Menschen verschiedener Bildung und verschiedener Bräuche und verschiedener Sprache und verschiedenen Ansehens und verschiedenen Vermögens aufeinandertrafen. Da ging es vielleicht genauso turbulent und auch mal aggressiv zu wie hier bei uns in den Flüchtlingsquartieren.

Aber er vermöchte es, in seiner Predigt eine Perspektive zu geben, auf die hin es möglich sein würde, sich als Gemeinschaft zu begreifen und darauf hinzuleben wie Christenmenschen miteinander umzugehen.

Und da kommen wir nun wirklich an die spannende Stelle, ob diese Vision des Paulus vom einen Leib der Mitgenossen auch ein politisches Modell sein kann für unsere Lage. Für die Integrationsaufgabe, die vor uns liegt. Und die sich eben NICHT allein innerhalb einer christlichen Gemeinschaft abspielt, in der alle den gleichen Glauben haben.

Es ist ja in der Bibel beschrieben, wie der Streit zwischen Paulus als dem Heidenmissionar und den judenchristlichen Aposteln beigelegt werden konnte.
Im sogenannten Apostelkonzil wehrte sich Paulus standhaft dagegen, dass die zum Glauben gekommenen Heiden erst beschnitten werden müssten, also Juden werden müssten, um Christen sein zu können.

Er handelte aus, dass die einzige Bedingung war, dass sich die neuen Mitgenossen allein an die Gebote halten sollten, die eine Tischgemeinschaft mit frommen Juden ermöglichte. Also nicht an die jüdische Torah mit all ihren Regelungen und Traditionen. Sondern an den Grundkonsens für alle Menschen, vermutlichen orientiert an den 7 Geboten, die Noah nach der Sintflut von Gott erhielt:
• Verbot von Mord
• Verbot von Diebstahl
• Verbot von Götzenanbetung
• Verbot von Ehebruch
• Verbot der Brutalität gegen Tiere
• Verbot von Gotteslästerung
• Einführung von Gerichten als Ausdruck der Wahrung des Rechtsprinzips

Welche Regeln, welche Gebote sind heute der Minimalkonsens, der es ermöglichen würde, als gute Hausgenossen zusammenzuleben. Ohne dass eine fremde (deutsche, europäische, christliche) Identität übergestülpt und aufgezwungen würde. Nur damit sich für uns in unseren Gewohnheiten nichts ändern muss.

Auch uns wird es verändern, wenn wir versuchen müssen, das WESENTLICHE neu zu definieren. Und dieses auch gut erklären und begründen können. Und durchsetzen dürfen. Auch Paulus ging es ja nie um Laissez-faire. Sondern um die Suche nach dem Verbindenden. Heil schaffenden. Dass wir unsere Werte von Christus her empfangen und entwickeln werden, steht nicht im Wiederspruch dazu, dass nicht alle Christen werden müssen, die diese Werte leben.

Und für mich ergeben sich damit auch schon Grundlinien dafür, wie mit der Frage nach einer Mission unter Flüchtlingen umgegangen werden könnte. Offenheit für die Taufe, ja. Aber zuallererst eine Verständigung über das, was uns wichtig ist für ein gutes Leben miteinander. Der formelle Wechsel der Religion muss damit ja nicht zwingend identisch sein.

4
Liebe Gemeinde,
am Fest der Heiligen Drei Könige ist es wohl nun einmal so, dass das Weihnachtsgeschehen mal in einer solchen globalen Perspektive anzusehen ist,
nicht nur aus der Perspektive der heimischen Weihnachtsstube.

Mit den Weisen kommt die weite Welt in unsere Gewohnheiten und Rituale und wirbelt sie auf. Beschenkt werden wir von ihnen mit wertvollen Dingen, die wir vorher so noch nicht kannten.
Und: die Weisen zogen ja wieder weiter irgendwann.
Und es steht uns gut an zu überlegen, was wir denn gerne hätten, dass sie als Eindruck von uns mitnehmen in ihre alte Heimat. Die Weisen, wie die Flüchtlinge und Migranten in dieser in Bewegung gesetzten Welt.

Üben wir es doch, wenn wir Menschen, die unsere Tradition nicht kennen, erklären, was da abgebildet ist in unseren Krippen: an Freude, an Hoffnung, besonders für die Armen, an Respekt vor Fremden, die vielleicht schon längst vor uns wissen, was sich da bedeutendes abspielt mit dem Kind.

Und wenn es uns gelingt, uns mit in diese Krippenlandschaft hineinzustellen zu Hirten und Weisen aus dem Morgenland, dann ist sie da, die Mitgenossenschaft, von der Paulus träumte.

Und wir dürfen staunen, dass aus diesem Säuglingskörper einmal der Leib aller Menschen guten Willens und Gottes Wohlgefallens erwachsen wird, und alle umfasst, die sich von dieser Hoffnung anstecken lassen. Weltweit.
Denn unsere Welt braucht diese Einheit. Dringend.
Amen.